Zeit für eine neue Rubrik. Wer kennt das nicht? Das schlimmste an Playdates sind regelmäßig die anderen Eltern. Da erlebt man teils tragisch komische Dramen ohne jeden Realitätsbezug. Manchmal lustig, manchmal traurig- aber fast immer erwähnenswert.
Besucht man einen öffentlichen Spielplatz bekommt man einen ziemlichen guten Eindruck davon, wie die Gesellschaft mit Kindern zusammengesetzt sind und was derzeit grad die “Up-To-Date” Erziehungsgrundsätze sind. Ich habe bekanntlich eine 0-Toleranz für Stumpfsinnigkeit, Dummheit und jedweden Machtspielchen, daher wechsle ich die Spielplätze ganz gerne mal, um nicht immer den gleichen Leuten zu begegnen, die ich nicht mag.
Und es gibt echt so Eltern, da kann ich nichts mehr zu sagen. So auch die Mama des kleinen Tom*, eine junge Frau, etwa Anfang 20. Madonna Piercing *klick*, ein paarmal zu oft Sonnenbank, ein paarmal zu oft die Haare schlecht blondiert, deutlich zu viel Bronzer, ein paarmal zu oft mit zu viel Wimperntusche getuscht und definitiv zu oft Perlmutt Lippenpflege benutzt.
“Tom, nein!”
“Tom, lass es sein!”
“Tom, lass es sein jetzt!”
“Tom!”
Genervtes Augenrollen, das Schreien immer entnervter und entnervter. Und mittendrin in dem ganzen Trauerspiel ein desorientierter kleiner Tom, der nun gar nicht mehr wusste, was er noch darf und was nicht. Immer wieder ein Blick zur Mama, um Orientierung zu finden, Blick zu anderen Kindern, den kleinen blauen Eimer etwas unschlüssig in der Hand. Entgegen der Annahme vieler meiner Kritiker bin ich in der Regel zwar schnell latent angenervt und kann recht garstig sein, versuche aber zumindest immer noch einmal die Situation zu analysieren, bevor es eskaliert. Mit sowas, das muss ich euch sagen, kann ich gar nicht!
Aber wer von uns ist frei davon, mal einen schlechten Tag zu haben? Wir bemühen uns tagtäglich, die besten und nur die besten Mütter für unsere Kinder zu sein. Wer weiß, wie ihre Nacht war, die Woche, ja vielleicht sogar die letzten Wochen? Ich beteilige mich nicht gern an Spielplatzlästereien, zum Glück waren die entsprechenden Konsorten heute mal nicht da. DIE haben eh jeder eigenen Dreck am stecken!
Ich rufe also zu Tom rüber, Bube und er haben sich eh schon umkreist, aber Bube kommt mit anderen schimpfenden Eltern nicht zurecht und nimmt dann immer etwas verschreckt Abstand. Meine Lust weiter im Matsch zu hocken und Kuchen zu backen hielt sich so oder so in sehr engen Grenzen.
“Tom heißt du oder?” schüchternes Nicken. “Magst du mit Bube Kuchen backen?” verunsicherter Blick zur Mama. Offensichtlich konnte Tom kein Nein in ihren Augen erkennen und kam schon deutlich beschwingter zu uns rüber. Ein paar Kuchen später spielten die beiden friedlich miteinander und mein geplagter Rücken konnte sich endlich mal zu Toms Mama auf die Bank pflanzen. Schweigen.
“Der macht immer nur Scheiße!” sagt sie entnervt.
Oha. OHA! Ich bin langsam echt ein klein bisschen pissed. Ich entscheide mich, erstmal gar nix zu sagen. Was ich zu sagen gehabt hätte, wäre nicht so schön gewesen.
“Ehrlich, immer, immer!!”
“Scheiße ist ja auch immer Defintionssache…” murmel ich ganz schön stinkig.
“Der macht alles kaputt und haut und beißt. Mit dem will schon keiner mehr spielen und dann nervt er mich!”
“Das machen Kleinkinder nun mal. Und nu? Du hast ein gesundes, kleines Kind. Der Rest ist eine Frage der Definition.” okay. Du hast mich. Ich bin ganz schön sauer.
“Ja, aber wenn der doch alles kaputt macht???”
“Dan nehme ich ihm das, was er kaputt machen könnte, weg. Zack Bumm. Und der Rest ist Kollateralschaden”
“Hmmmmmmm.” die Antwort gefällt ihr nun nicht so gut.
Die beiden Jungs spielen immer noch zusammen und *zack* Bube kriegt einen übergezogen, nachdem er Tom die Schüppe weggenommen hat. Keiner blutet, keiner heult, keiner ist bewusstlos. Tja, so kanns gehen… ich bin natürlich in Habachtstellung, aber so grundsätzlich sind die beiden etwas gleich alt, gleich stark und ich sehe keinen Grund einzu-
“TOOOOOOOOOOOOM!!!!!!!!!!! DU KOMMS JETZ HER! WAT HAB ICH DIR GESAGT???? WAS HAB ICH DIR GESAGT???? DU S-O-L-L-S-T NICHT HAUEN!!!!!!!!”
Ich bin doch etwas erschreckt, Tom und Bube genauso.
“Alles gut- die klären das unter sich!”
“Aber er hat gehauuuuueeeeen!”
Kein Grund zu heulen Mädel.
“Bei den beiden sind die Kräfte ausgeglichen, keiner heult, blutet oder ist bewusstlos. Die klären das unter sich.” Rabenmutter ich
Sie setzt sich jetzt doch verdutzt hin. Es dauert ein paar Minuten, bis die beiden Burschen wieder ins Spiel finden. Sie ist die ganze Zeit nervös.
Die beiden spielen noch eine Weile so ruhig, bis die Raufereien häufiger werden- beide sind langsam müde.
“Da müssen wohl zwei kleine Krieger ins Bett” sage ich. Gott sei Dank denke ich- das Anschweigen ging ja auf keine Kuhhaut mehr. Wir sagen tschüss und kurz bevor ich um die Kurve bin höre ich sie rufen.
“Und das kann man einfach so machen? Also, wenn das Kind haut einfach NICHTS machen?”
Ist sie verunsichert? “Wenn die Kräfte ausgeglichen sind und es nicht zu heftig ist- ja klar, denke schon!”
“Ahhh. Okay. Bis zum nächsten Mal dann.”
Ich rechne ja nicht damit, ihr wieder zu begegnen und frage mich die ganze Zeit, ob ich ihr einfach ziemlich deutlich hätte sagen müssen, dass ich ihre Art unmöglich finde. Aber meine Sorgen, oder sind es Hoffnungen?, sind gänzlich unbegründet. Denn am nächsten Donnerstag sitzt sie bereits auf der Bank. Diesmal habe sie das Sandspielzeug nicht vergessen. Und Kekse habe sie auch dabei, die müssten sie nur heimlich essen, Zucker mache den Tom immer so unruhig flüstert sie mir verschwörerisch zu. Ob der Bube denn Apfel dürfe? Und so sehr sie beim vorherigen Treffen geschwiegen hat, so sehr quatscht sie nun. Das ihr Exfreund nicht aus der Wohnung ausziehen will und sie nun geht. Das er ihr aber keinen Unterhalt zahlen will und sie deswegen gar nicht weiß, was sie machen soll. Das sie kaum noch schlafe seit der Trennung. Aha. Daher weht der Wind. Ich empfehle ihr die Caritas, die bei uns getrennte Elternteile berät.
Der Sommer ist lang und wir treffen uns immer wieder. Das Schreien wird schnell viel weniger, Tom wirkt gelöster und irgendwie entspannt sich die Situation. Und ergibt noch viele tolle Geschichten, die ein andermal erzählt werden können.
*Name natürlich geändert. Ich will an der Stelle nur EXPLIZIT erwähnen, dass es kein typischer “Kevinismus” Name war und ich diese Unterscheidung auch genauso explizit unmöglich finde!